Bildung ist eines der wichtigsten immateriellen Güter in einer Gesellschaft, da sie maßgeblich zur sozialen Teilhabe beiträgt. Die moderne Gesellschaft wird immer komplexer und es sind zunehmend neue Kompetenzen und Fähigkeiten von Bedeutung, damit das Individuum im digitalen Zeitalter bestehen kann. Um den neuen Herausforderungen zu begegnen ist auch ein neues Bildungsverständnis nötig!
In den Schulen darf sich nicht länger genau das fortsetzen, was für die meisten Heranwachsenden bereits zu Hause begonnen hat: Dressur und Abrichtung, Unterdrückung lebendiger Bedürfnisse und Orientierung an fragwürdigen Vorstellungen.
Deshalb brauchen wir dringend eine Übereinkunft aller Beteiligten, was wir künftig unter "Bildung" verstehen wollen und wozu unsere "Bildungseinrichtungen" dienen sollen.
Der Weg zum Paritätischen Bildungsverständnis
Kurz bevor die Pandemie-Problematik ihren zwischenzeitlichen Höhepunkt erreichte und durch COVID-19 unser aller Leben massiv auf den Kopf gestellt wurde, führte das Referat Bildung am 10.03.2020 im Social Impact Lab (SIL) in Stuttgart eine Denkwerkstatt durch. Daran haben zehn Teilnehmende aus unterschiedlichen Bereichen des PARITÄTISCHEN partizipiert.
Die Ergebnisse der Denkwerkstatt stellten die Basis für einen anschließenden innerverbandlichen Abstimmungsprozess dar. Hier wurden alle Bereiche beteiligt, die mit dem Thema Bildung in Berührung kommen. Dieser Beteiligungsprozess wurde Anfang Dezember 2020 abgeschlossen und das Papier "Bildung anders gedacht - Paritätisches Positionspapier für ein neues Bildungsverständnis" wurde verabschiedet.
Wenn wir die Idee des Lebenslangen Lernens ernst nehmen, können wir nicht akzeptieren, dass Bildungschancen in der Kindheit determiniert werden. Für Menschen jeden Alters muss es für sie realisierbare Möglichkeiten der Bildungsteilhabe und der Weiterentwicklung geben – im allgemeinbildenden wie im beruflichen Bereich. Längere Qualifizierungsphasen – im Sinne eines zweiten oder dritten Bildungswegs –sollten dann in jedem Alter nicht nur möglich sondern auch finanziell machbar und gesellschaftlich anerkannt sein.
Bildung ist ein Grundrecht und sichert die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft! Wir haben im Bereich Bildung immer noch keine Chancengerechtigkeit erreicht! Es ist sehr bedauerlich, dass der Bildungserfolg von jungen Menschen immer noch massiv vom sozioökonomischen Status der Eltern abhängig ist. Eine so ungleiche Chancenverteilung kann sich eine Gesellschaft auf Dauer nicht leisten. Hier müssen wir in den nächsten Jahren ansetzen und massiv in die verschiedenen Bildungsbereiche investieren. Im Sinne von Prävention müssen vor allem Investitionen in die Frühkindliche Bildung fokussiert werden, damit alle Kinder in Baden-Württemberg einen optimalen Start ins Leben haben. Der Staat, der früh in Bildung investiert, spart später an den Transferleistungen!
Paritätisches Bildungsverständnis
Der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg steht für Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Chancengerechtigkeit. Diese Leitlinien bestimmen auch unser Bildungsverständnis. Wir sind davon überzeugt, dass jede Person individuelle Fähigkeiten besitzt bzw. entwickeln kann. Hierfür sind jedoch dauerhafte Unterstützungsleistungen auf dem lebenslangen Bildungsweg vonnöten. Dem Individuum müssen Räume für Begegnungen mit der Welt und anderen Menschen ermöglicht werden, weil hier Lernprozesse entstehen, die durch formale Bildungssettings nicht immer abgedeckt werden können.
Im Sinne der Ganzheitlichkeit geht der PARITÄTISCHE Baden-Württemberg in seinem Bildungsverständnis stets von einer Bildung der Persönlichkeit aus. Um Persönlichkeit gedeihen und wachsen zu lassen, reicht es nach unserer Sicht nicht aus, in Bildungsinstitutionen reines Faktenwissen zu fördern sowie zu lehren und zu lernen. Vielmehr braucht es andere Lehr-Lern-Settings und neue innovative Bildungsansätze. Die Lernenden sollen dabei unterstützt werden, persönliches Interesse zu entwickeln, da dies schlussendlich zu einer individuellen Kompetenzentwicklung führt. Aus diesem Grund sprechen wir uns für Individualisierung, Diversität und Inklusion in der Bildung aus. Um dies zu gewährleisten, braucht es eine hohe Qualität bei der Initiierung von Lehr-Lern-Prozessen und entsprechend höhere monetäre Ressourcen, die den unterschiedlichen Bildungsbereichen zur Verfügung gestellt werden. Dies ist vor allem auch wichtig, da gute Bildung in Baden-Württemberg immer noch vom Geldbeutel des Lernenden oder der Eltern abhängt. Um diese sozialen Unterschiede auszugleichen und wirkliche Chancengerechtigkeit herzustellen, muss mehr Geld und Qualität in die frühkindliche und schulische Bildung sowie die Erwachsenenbildung/Weiterbildung investiert sowie neue innovative Wege gegangen werden.
Unsere ausführlichen Positionen und Forderungen zum Thema Bildung können Sie dem Positionspapier "Bildung anders gedacht – Paritätisches Positionspapier für ein neues Bildungsverständnis" entnehmen. Wir stellen Ihnen hier eine Lang- und Kurzversion zur Verfügung.
Wenn Sie wenig Zeit haben und sich schnell einen Überblick über unsere Positionen und Forderungen zum Thema Bildung machen möchten, empfehlen wir Ihnen die Datei "Paritätische Positionen und Forderungen zum Thema Bildung".
Gute Bildung bedeutet für mich: dass sie jede und jeden erreicht; mit den Mitteln des Hier und Heute, ohne das Bewährte zu vergessen; dass sie Kindern und Jugendlichen eine Chance gibt, ihr Potenzial zu entfalten und auszubauen; und nicht zuletzt, dass sie Spass macht und Freude bereitet. Und bei all unseren Vorhaben ist es mir wichtig, dass wir Praktikerinnen und Praktiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Schülerinnen und Schüler, Eltern und weitere – also alle am Bildungsleben Beteiligten – einbeziehen.